Going local. Growing global. Interview mit Michael Engel.
In unserer Interview-Serie Going local. Growing global. Stellen wir unsere Regionen und Führungskräfte vor, um ihre Besonderheiten und Bedeutung hervorzuheben.
In dieser Ausgabe: Lernen Sie Michael Engel, kennen, EVP Region Africa und Global Services.
Q: Neben deiner Rolle als EVP Global Services leitest du auch die Region Afrika. Darum geht es im heutigen Interview. Wir wollen deine Region vor den Vorhang holen, daher meine erste Frage: Was sind die Besonderheiten der Region Afrika?
A: Es gibt da gewiss die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Ländern, auf dem Kontinent. Der hat noch starken Entwicklungsbedarf und ist nicht mit Regionen, wie Europa oder Nordamerika vergleichbar. Der Entwicklungsstandard und die Ziele, die diese Regionen verfolgen sind ganz andere.
Q: Was sind die Stärken der Region?
A: Einerseits definitiv das Wachstumspotential, aber eine andere Kernstärke gibt es auch noch. Die Menschen sind gewohnt unter schwierigen Rahmenbedingungen erfolgreich zu sein und haben aus meiner Sicht einen positiveren Zugang, wie man mit Problemen umgeht, als in anderen Ländern. Elementare Probleme stehen auf der Tagesordnung, so dass Probleme im professionellen Kontext nicht als außerordentliche Challenge wahrgenommen werden. Menschen sind im privaten und sozialen Umfeld täglich mit Dingen konfrontiert, die man sich zB in Europa gar nicht richtig vorstellen kann. Zum Beispiel gibt es in Südafrika zwischen 8 und 12 Stunden pro Tag keinen Strom in manchen Regionen, und das ist ‚normal‘. Ich empfinde die Gesellschaft durchschnittlich als resilienter und positiver in der Grundhaltung.
Q: Du sprichst über Herausforderungen, aber das Potential (für Kapsch) in der Region Afrika muss ja deutlich größer sein, als in anderen Regionen, oder?
A: Das Potential in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten gerechnet ist sicher in dieser Region sehr groß, weil halt viele Dinge hier erst jetzt passieren, die in den 70er, 80er Jahren woanders passiert sind. So betrachtet ja. Aber es ist nicht so, dass man sagt in den nächsten fünf Jahren wird Afrika soweit aufholen und auf einem vergleichbaren Niveau wie andere Regionen sein. Es gibt einen recht ambitionierten Plan der African Union – die Agenda 2063 – da gibt es sehr viele Zielsetzungen, dass sie gleich auf sein wollen, wie andere, entwickeltere Regionen. Sehr ambitioniert, muss ich sagen. Es gibt ja erschreckende Zahlen, wie zum Beispiel, dass 300 Millionen Kinder keinen Zugang zu Bildung haben. Es ist eine fundamental große Herausforderung.
Q: Von den Herausforderungen in der Region: Was waren deine persönlichen Herausforderungen, als du die Funktion als Head of Africa übernommen hast?
A: es gab ein Spannungsfeld aus der früheren Definition der Region Afrika, die eigentlich nie implementiert wurde. Afrika war zwar als Region vorhanden, aber in der Arbeitsweise weit weg von unserem Standardverständnis, wie eine Region funktionieren sollte. Das ist schon wesentlich besser nach insgesamt 1 Jahr Revival der Region Afrika und nach 3 Jahren Involvement meinerseits.
Q: Gibt es Themen, die länderübergreifend in Afrika bestimmend sind?
A: Aus Sicht unseres Portfolios sind mir keine länderübergreifenden Themen zur Standardisierung bekannt. In Afrika beginnt man gerade über einen Standard, ähnlich EETS in Europa nachzudenken, damit zB ein Mautsystem auch über Grenzen hinweg funktioniert. Aber da steht man noch ganz am Anfang. Da wird noch viel Zeit vergehen, bis etwas passiert, aber man beginnt mal sich damit zu befassen.
Q: Wie wird das Thema Nachhaltigkeit gesehen in der Region?
A: Es sollte ein bestimmenderes Thema sein. Es gibt von den Vereinten Nationen und der African Union sehr ambitionierte Pläne, die natürlich auch sehr stark auf Nachhaltigkeit in vielen Bereichen sich als Ziel genommen haben. Es ist ein Thema für den Kontinent, allerdings unter ganz anderen Vorzeichen, als wir zB eine Nachhaltigkeitsdiskussion in Europa führen. Die Grundbedürfnisse ökonomisch als auch sozial bedienen zu können, das ist mal die Basis dafür, dass man überhaupt über Nachhaltigkeit reden kann. Man kann sich vorstellen, wie viel Wert auf ökonomische bzw. ökologische Nachhaltigkeit gelegt wird – da geht’s ums Überleben!
Q: Man könnte es aber auch so sehen: Die Auswirkungen des Klimawandels oder von Luftverschmutzung sind in ärmeren Regionen der Welt viel mehr spürbar. Vielleicht hat aus dieser Bedeutung heraus das Thema Nachhaltigkeit mehr Gewicht?
A: Meine Wahrnehmung ist, dass sehr viel Ambition vorhanden ist, aber in der Umsetzung ist man – wie auch überall anders in der Welt – hinten nach. Also auch in Europa könnten wir schon viel weiter sein. Das ist in Afrika genauso, aber da herrschen zusätzlich andere Zwänge, weil es für Millionen Menschen ums Überleben geht und da sind die Prioritäten anders gesetzt. Leider völlig nachvollziehbar, aber natürlich für jeden auch in Summe schlecht.
Q: Welche Lösungen und welche Produkte stehen in Afrika im Fokus?
A: Die Anforderungen der Länder sind primär in unserem Portfolio zu finden. Das sind Tolling-Lösungen in unterschiedlichen Ausprägungen, eher im klassischen Sinn, also Plaza-Lösungen.
Tolling ist deshalb ein großes Thema, weil Afrika einen riesigen Entwicklungsbedarf hat. Das zeigt auch unser afrika-spezifischer Slogan „Pioneering Growth“. Es muss unser Purpose sein diesen Ländern zu helfen Infrastruktur aufzubauen, damit sie wachsen können. Viele Dinge hängen von guter Infrastruktur ab. Gütertransport, Personentransport – klingt fundamental, ist aber tatsächlich so. Wenn der Verkehrsfluss nicht funktioniert, kannst du auch wirtschaftlich nicht wachsen. Der andere Fokusbereich in großen Städten der Subsahara-Region ist Congestion Management und Traffic Management. Es ist aber derzeit für die Städte sehr schwierig Budget für solche Infrastrukturprojekte zu finden.
Hier schließt sich der Kreis auch zum Thema Nachhaltigkeit: über Verkehrsfluss kann man natürlich stark die ökologischen Aspekte verbessern. Die Bereitschaft der Städte ist noch nicht so stark, aber ich denke, es ist eine Frage der Zeit, bis das Thema wichtiger wird. Man sieht, dass das Thema Urbanisierung auch in Afrika ein Riesen-Thema ist. Die Städte wachsen dramatisch schnell, in Ländern wie Nigeria zB.
Q: Zum Abschluss: Was ist dein persönlicher Bezug zur Region? Gab es davor schon einen Bezug oder ist der erst durch deine Rolle entstanden?
A: Ich hatte tatsächlich davor gar keinen Bezug zur Region Afrika. Ich hatte mit einigen Südafrikanern beruflich Kontakt, aber nicht viel von der Kultur, der Situation, den Zwängen mitbekommen. Das hat sich schlagartig geändert vor 3 Jahren mit dieser Verantwortung. In der Retrospektive kann ich sagen: eine ganz wertvolle persönliche Erfahrung. Ich habe viel gesehen und gelernt, wozu ich sonst keine Möglichkeit gehabt hätte. Es gab auch viele Schwierigkeiten, es war eine ganz verfahrene Situation. Ich muss sagen, es hat auch viel Spaß gemacht, weil man gesehen hat, man kommt stückweise weiter und auf diese kleinen Erfolge sind auch ein paar größere gefolgt, dann wieder einen Schritt zurück. Aber in Summe ist es positiv vorangegangen und dadurch macht es auch Spaß weiterzumachen, Energie zu investieren. Wenn man in dem Thema drinnen ist, dann ergibt sich der Rest von selbst.
Q: Wenn du Regionen tauschen würdest, würdest du dich für keine andere entscheiden?
A: Ich habe keinen Wunsch Region tauschen zu wollen.