Going local. Growing global. Interview mit Samuel Kapsch.
Als globales Unternehmen ist uns die Bedeutung und Einzigartigkeit der einzelnen Regionen besonders wichtig. Deshalb haben wir die LeiterInnen unserer Regionen vor den Vorhang geholt und ihnen ein paar Fragen gestellt.
Den Anfang unserer Serie Going local. Growing global. macht: Samuel Kapsch, Vizepräsident der Region Lateinamerika.
IV: Samuel, laut TomTom Ranking verbringt ein Autofahrer in Santiago durchschnittlich fast 200 Stunden pro Jahr in der Rush Hour. Kannst du das aus eigener Erfahrung bestätigen?
Samuel: Ja, das Traffic Management in Santiago ist auf jeden Fall verbesserungswürdig. Das unterstreicht auch die oben genannte Zahl. Ich wohne – glücklicherweise – relativ nah an der Autobahn, das heißt ich bin recht schnell am Weg in die Arbeit. Aber wenn man ins Zentrum muss, gehen die prognostizierten Zeiten von meinem Navi und die tatsächliche Zeit weit auseinander. Da braucht man dann schon mal 50 Minuten, statt der geplanten 30 Minuten. Das ist eine Erfahrung, die man in anderen lateinamerikanischen Städten, wie Bogota oder Mexico City zum Beispiel, auch macht. Dort gibt es noch mehr Verbesserungsbedarf für Urban Traffic Management.
IV: In diesem Ranking scheinen auch einige brasilianische Städte auf, die allerdings besser wegkommen. Ist Brasilien da ein Stückchen weiter oder gibt es da keinen Zusammenhang?
Samuel: Brasilien funktioniert da sehr dezentralisiert, sprich alle Staaten in Brasilien haben einen sehr eigenen Zugang zu Traffic Management. Rio zum Beispiel hat ein fortschrittliches Kontrollzentrum. Was die Integration von Traffic Management betrifft, ist Buenos Aires die am weitesten fortgeschrittene Stadt. Das ist auch die Stadt, wo wir als Kapsch TrafficCom in LAM am präsentesten sind. Wir arbeiten sehr eng mit der Stadt zusammen und haben eine gemeinsame Roadmap erarbeitet. Buenos Aires ist für mich die Stadt, die in Lateinamerika am weitesten vorausdenkt.
IV: Interessant. Liegt das an der politischen Situation oder an den Geldern? Oder wo liegt der Grund dafür?
Samuel: Ich würde sagen, ein Grund ist ein motiviertes, junges, technologisch-affines Team, das viel positive Veränderung bringen will. Ein Team, das bereit ist, neue Sachen auszuprobieren und zu experimentieren, wofür wir uns auch als Partner sehen. Wir besprechen Ideen und schauen, wie etwas funktionieren könnte. Wir sprechen über Pilotprojekte und haben eine gute Beziehung, um Sachen auch auszuprobieren.
IV: Wir haben uns ausgerechnet: du bist seit über einem Jahr in deinem Amt als VP Latin America. Dein Fazit bisher?
Samuel: Es ist wirklich spannend. Erstens habe ich hier ein unglaublich tolles Team. Ich habe ja auch schon früher in der Region gearbeitet und es freut mich wieder in Lateinamerika zu sein. Ich sehe, dass vieles weitergeht, dass unsere Kunden und Partner motiviert sind. Wir sind in Lateinamerika in 19 Städten präsent. Die Städte hatten in der Vergangenheit ein unglaubliches Wachstum und werden es auch in Zukunft haben. Es ist auch unglaublich spannend, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern, also nicht nur kulturell, auch hinsichtlich technologischer Reife und von den Prioritäten her. Und ich freue mich darauf zu sehen, wie es hier weitergeht.
IV: Was ist aus deiner Sicht die größte Stärke von KTC in Lateinamerika? Du hast erwähnt, dass die Region sehr aufgeschlossen ist für Neues – gibt es noch andere Charakteristika?
Samuel: Wir reden ja gerne von unserem „glocal“ Approach. Das ist wie gesagt etwas, was unsere große Stärke ist. Wenn man sich die Region ansieht, sind wir der einzige globale Player, der in der Region so präsent ist, auch vor Ort, nicht nur projektbezogen. Und wir bringen diese gute Kombination aus global und lokal in die Region mit. Das beste Beispiel dafür ist SmartToll. Wir haben eine Plaza-Tolling-Lösung, die wir eigentlich nur in Lateinamerika und Spanien verwenden. In Chile (und hoffentlich bald auch in Brasilien) kombinieren wir bereits diese beiden Lösungen, dass man die beiden Lösungen zusammen verkaufen kann – Plaza Tolling und MLFF.
IV: Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit in deiner Region? Und wie bekommst du das selbst mit? Steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen?
Samuel: Absolut. Auch für mich persönlich ist das Thema sehr wichtig. Zu einem gewissen Grad ist es auch ein Generationsthema. Dass die jüngere Generation das Thema mehr schätzt und es für sie nicht nur ein Verkaufspunkt ist, sondern wirklich etwas, was uns als Menschen nahe liegt, weil es unsere Zukunft beeinflusst. Unsere Lösungen sind nachhaltig und wir machen unsere Kunden darauf aufmerksam. Lateinamerika ist Großteils politisch links orientiert und da wird auch der Umwelt und dem Umweltschutz mehr Bedeutung beigemessen. Wir sehen auch immer stärker werdende Umweltministerien.
IV: Abgesehen davon ist auch der positive wirtschaftliche Effekt ein gutes Argument: Weniger Staus kosten weniger Geld.
Samuel: Absolut. In Lateinamerika ist es manchmal noch kompliziert Lösungen anzubieten, die nicht direkt Einnahmen generieren. Diese Konzepte greifen heutzutage in Europa noch ein bisschen mehr, aber sie gewinnen auch in Lateinamerika an Bedeutung. Wie die Studie gezeigt hat, wie viel Zeit man in Autos verschwendet. Wo man es auch am Verhalten der Menschen sieht, dass diese ihre Arbeitszeiten oder ihr Studium an den Verkehr anpassen, weil sie wissen, dass man sowieso 2 Stunden länger braucht. Das Verkehrsproblem hat wirklich einen großen Einfluss auf das Leben im Alltag.
IV: Wohin wird die Reise der Region denn führen?
Samuel: Die Städte gewinnen mehr und mehr an Wichtigkeit. Das heißt aber nicht, dass wir unser Autobahn-Business vernachlässigen werden. Wir wollen nach wie vor die sein, die es ermöglichen Städte und Autobahnen miteinander zu verbinden. Urban Traffic Management Lösungen sind schön und cool, aber wenn die Städte nicht wissen, wie viel Verkehr von außen auf sie zukommt (zB Pendler) ist es sehr schwierig sich im Vorhinein darauf einzustellen. Natürlich ist Real-Time-Data wichtig und wird definitiv kommen. Aber wenn man davor schon ein bisschen antizipieren kann, wie die Situation in 30 Minuten aussehen wird, erleichtert das das Traffic Management in den Städten. Das heißt, wir wollen auch dort sein, wo sich Autobahn und Stadt treffen.
IV: Wenn du dir aussuchen könntest: Gibt es ein Vorbild-Land oder eine Vorbild-Stadt für die Region?
Samuel: Die leichteste Antwort wäre Spanien aufgrund der kulturellen und sprachlichen Ebene. Auch weil viele spanische Firmen hier präsent sind.
IV: Wie ist dein persönlicher Bezug zu Lateinamerika? Was macht die Kultur & die Region für dich so besonders?
Samuel: 2 Punkte: Erstens, ich mag die Menschen sehr gerne, die Offenheit, das Menschlichere. Und zweitens: ich finde es extrem spannend, was man generell von anderen Kulturen lernen kann. Diese Flexibilität, wir fangen einfach an, wir planen das nicht zu Tode, wir nutzen diese Chance, auch wenn es nicht funktioniert und auch wenn wir alles ändern müssen und von null anfangen müssen – okay, kein Problem.
Dieses unermüdliche Weiterprobieren und der Glaube, dass man es schaffen kann und wir flexibel und innovativ sein können. Das Schöne darin ist, dass ich wirkliche Synergien zwischen der „westlichen“ Kultur und meinem österreichischen Ursprung und der lateinamerikanischen Seite sehen kann. Wen man da zusammenarbeitet und voneinander lernt, also die Österreicher von den Lateinamerikanern, dass man spontaner und schneller wird und dann aber das mit der europäischen Planung und Organisation kombiniert, da sehe ich einen der größten Vorteile unserer Firma. Es ist in diesem Sinne auch wichtig die andere Kultur zu verstehen und zu respektieren und davon zu lernen. Was kann ich mir selbst aneignen als Mensch? Das klingt jetzt schon fast philosophisch: Aber ich glaube, so wächst man auch als Mensch und so lernt man dazu und die Werte und Prioritäten anzupassen.
IV: Zum Abschluss noch eine ganz andere Frage: Was wäre dein Geheimtipp für Santiago? Was müsste man als Tourist unbedingt gesehen haben, was nicht in einem Reiseführer steht?
Samuel: Das ist eine gute Frage… mein Geheimtipp wäre: raus aus Santiago und in die Natur!
Sind Sie neugierig, was die anderen Head of Regions zu sagen haben?
Bleiben Sie dran für die nächste Folge von Going local. Growing global.